Ein Psychotrauma ist die psychische Reaktion auf ein belastendes Erlebnis. Bei Kindern kann dies beispielsweise ein Missbrauch, körperliche Gewalt, die Trennung der Eltern oder der Tod eines Elternteils sein. Miterlebte Unfälle, Katastrophen und Kriege können ebenfalls ein Psychotrauma bedingen. Die längerfristigen Folgen des Traumas werden als posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnet. Kinder, die solche Erlebnisse mitgemacht haben, benötigen seelischen Beistand und Hilfe von ihren Angehörigen. In schweren und länger anhaltenden Fällen von Psychotraumen ist eine geeignete Therapie erforderlich (Traumatherapie). Diese beinhaltet eine Psychotherapie, dazu die seelische und soziale Unterstützung, manchmal auch die Gabe von Medikamenten sowie weitere Behandlungsmaßnahmen.
Das Psychotrauma entsteht als Reaktion auf ein Ereignis, das individuell als sehr belastend empfunden wird. Zu solchen schlimmen Erlebnissen zählen:
Eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht aber nicht bei jedem Betroffenen von schlimmen Ereignissen. Es hängt in erster Linie von der Art der Ereignisse ab. Nach einer Vergewaltigung kommt es öfter zur posttraumatischen Belastungssyndrom (rund die Hälfte der Fälle) als etwa nach einem Verkehrsunfall. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle, beispielsweise die individuelle Verfassung oder schon früher erlebte Traumen. Ebenso kann das soziale Umfeld entscheidend sein. Bei einer guten Unterstützung mit verständnisvollen und geduldigen Angehörigen sinkt die Gefahr einer Belastungsstörung. Besonders bei kleinen Kindern kann ebenfalls von Bedeutung sein, wie die Angehörigen auf die Belastung reagieren.
Wie genau sich eine Belastungsreaktion entwickelt, ist nicht bekannt. Es kommt aber zu Änderungen des Stoffwechsels und anderer Abläufe im Gehirn.
Die Reaktionen auf ein gravierendes Ereignis können sehr unterschiedlich sein und sind auch vom Alter des Betroffenen abhängig. Manchmal zeigen sich die Auswirkungen bereits sofort, in anderen Fällen erst Wochen nach der Situation. Unmittelbare Reaktionen sind oft Verzweiflung und Panik, Rastlosigkeit, aber auch Schweigen oder Abdriften des Gesprächs vom Thema.
Betroffene im Kleinkindalter und der frühen Kindheit haben dann oft Verhaltensauffälligkeiten wie Zittern, Jammern, Schreien, übertrieben starke Anhänglichkeit. Bei einigen Betroffenen zeigt sich ein erneutes Auftreten früherer Verhaltensweisen (Regression), beispielsweise Einnässen oder Daumenlutschen. Etwas ältere Kinder zeigen möglicherweise einen sozialen Rückzug, können Probleme wie Konzentrations- oder Schlafstörungen bekommen. Andererseits können sie reizbar und aggressiv werden. Weitere Anzeichen der Belastungsreaktion können psychosomatische oder somatoforme Beschwerden (körperliche Beschwerden mit psychischer Ursache) sein. Folgestörungen wie Ängste und Depressionen können sich entwickeln.
Bei schon älteren Kindern und bei Jugendlichen entsprechen die Reaktionen weitgehend denen bei Erwachsenen. Typisches Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist die ständige Erinnerung an die Geschehnisse. Diese Gedanken lassen sich vom Betroffenen selbst nicht abstellen, und die Inhalte treten auch in Albträumen auf. Orte und Situationen werden vermieden, die mit dem Psychotrauma verbunden werden. Angststörungen, Depressionen und in sehr schweren Fällen sogar die Gefahr zum Selbstmord können sich ergeben.
Die Diagnose erfolgt durch die Feststellung bestimmter Merkmale. Dazu erfolgt ein Gespräch des Arztes mit dem Betroffenen und den Angehörigen. Behutsam kommt das auslösende Ereignis zur Sprache, die möglichen wiederkehrenden Erinnerungen, eventuelle vorherige Probleme des Kindes. Der Untersucher führt dabei eine Verhaltensbeobachtung durch. Fragebögen können zum Einsatz kommen, um der Untersuchung eine Struktur zu geben. Gegebenenfalls erfolgen weitere Untersuchungsmaßnahmen.
Für das Verhalten kommen unter Umständen andere psychische Störungen wie Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angststörung oder Depression als Ursache in Frage. Organische Ursachen von bestimmten körperlichen Symptomen müssen ebenfalls abgeklärt werden.
Schon bei Eintreten des Traumas können die Weichen für eine bessere Verarbeitung gestellt werden. Das Kind sollte vom Ort des Geschehens geführt werden, und es sollte sich jemand um das Kind kümmern. Mit vertrauensvollem Verhalten und Gesprächen kann dem Kind Unterstützung gegeben werden.
Die weitere Behandlung wird meist als Traumatherapie bezeichnet. Ziel ist es, die Psyche des Betroffenen zu stabilisieren, ihn die Geschehnisse bewältigen zu lassen und wieder ein normales Alltagsleben zu ermöglichen. Das kann mit einer Psychotherapie wie einer Gesprächstherapie oder Verhaltenstherapie geschehen. Es gibt aber auch einige speziell für Traumapatienten entwickelte Methoden. Ein wichtiges Verfahren ist EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Beim EMDR berichtet der Patient über die traumatisierende Situation und führt dabei bestimmte Augenbewegungen aus, was ihn die Vorfälle verarbeiten lässt. Des Weiteren können Verfahren wie künstlerische Therapien oder Entspannungsmethoden durchgeführt werden. Medikamente können unter Umständen sinnvoll sein, wie Antidepressiva (Medikamente gegen Depressionen) oder Beruhigungsmittel.
Auch die Angehörigen können dafür sorgen, dass das Kind besser mit dem Trauma umgehen kann. Wichtig ist ein verständnisvoller Umgang mit dem Betroffenen, auch wenn sein Verhalten nicht angemessen sein sollte, und der allmähliche Übergang zum normalen Alltag, um ihm Halt zu geben.
Die Prognose hängt von vielen Faktoren ab und ist deshalb bei jedem Betroffenen unterschiedlich. Ein Teil der Menschen, die eine schreckliche Situation miterlebt haben, verarbeiten diese nahezu problemlos und führen ein annähernd normales Leben. Bei anderen Betroffenen kann sich eine langwierige Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsreaktion entwickeln. Die quälenden Erinnerungen und Folgestörungen können die Lebensqualität sehr deutlich mindern. Betroffene Kinder, die schon vor dem eigentlichen Auslöser weitere Traumasituationen durchlebt haben, zeigen eine schwerere Reaktion als zuvor unbehelligte Kinder. Mit der richtigen Unterstützung und Behandlung lässt sich die Gefahr für Betroffene herabsetzen, dass eine dauerhafte posttraumatische Belastungsstörung entsteht.
Letzte Aktualisierung am 31.05.2021.