Ängste, die die Schule betreffen, nehmen einen nicht unbeträchtlichen Stellenwert in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein. Dabei werden Schulangst und Schulphobie unterschieden. Schulangst ist die Furcht vor der Schule selbst und dem Leistungsdruck, während Schulphobie eine Art der Trennungsangst (vor dem Verlassen der Bezugsperson) ist.
In beiden Fällen wird der Schulbesuch möglichst gemieden (Schwänzen), was zu Problemen im sozialen Bereich und der schulischen Leistung führt. Bei solchen Schwierigkeiten sollte die Situation genau untersucht werden und das Kind gegebenenfalls einem Kinder- und Jugendpsychiater vorgestellt werden. Zur Besserung der Situation sollte dem Kind mehr Selbstvertrauen vermittelt werden. Eine Behandlung bei schwerer Schulangst und Schulphobie ist unter anderem mit einer Verhaltenstherapie möglich.
Schulangst und Schulphobie haben verschiedene Ursachen, oftmals kommen mehrere Faktoren zum Tragen.
Schulangst ist in erster Linie durch Leistungsdruck begründet. Dies kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein: wenn das Kind den Anforderungen nicht gewachsen ist oder Probleme mit dem konzentrierten Lernen hat (z. B. bei ADHS = Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung). Manchmal sind Krankheits- oder Verletzungsphasen der Auslöser, die zu einem längeren Fehlen in der Schule geführt haben. Das Kind hängt im Schulstoff hinterher. Oftmals sind die Eltern für den Stress verantwortlich, weil sie vom Kind eine höhere Leistung verlangen, als es unter normalen Umständen schaffen kann. Außerdem kann die Leistungsangst nach ein paar Rückschlägen wie in den Sand gesetzten Klassenarbeiten steigen.
Oftmals spielt die soziale Angst eine Rolle. Betroffen sind dann ohnehin schon schüchterne, kontaktscheue Kinder, bei denen Erlebnisse wie Hänseleien oder Gewalt zu einer Art Schulangst führen.
Eine Schulphobie dagegen ist vorwiegend durch die Angst begründet, sich von den vertrauten Personen zu entfernen (Trennungsangst). Solche Kinder haben noch nicht genügend Eigenständigkeit erlangt. Nicht selten ist das familiäre Umfeld bei den Betroffenen problembehaftet. Andererseits sind oft Kinder betroffen, die von den Eltern besonders verwöhnt und von den „Gefahren" der Außenwelt abgeschirmt wurden. Hierbei können auch Ängste der Eltern eine Rolle spielen.
Schulangst und Schulphobie äußern sich beide in dem Verhalten, dass das Kind seinen Schulbesuch zu verhindern versucht. Da sie verschiedene Grundlagen haben, gibt es aber mehr oder weniger große Abweichungen.
Schulangst ist die tatsächliche Angst vor dem Besuch der Schule, vor dem Leistungsdruck und/oder einer sozialen Belastung. Schulangst liegt möglicherweise bei bis zu 20 Prozent der Schüler in Deutschland vor. Meist waren die betroffenen Kinder vorher schulisch, psychisch und geistig unauffällig. Doch nach ungünstigen Ereignissen (schlechten Noten in Arbeiten, Druck von den Eltern, Hänseln, Gewalt) entwickeln Betroffene eine Angst vor dem Gang in die Schule. Der Prüfungsdruck wird größer und das Selbstvertrauen kleiner. Schon eine ganze Zeit vor einer Klassenarbeit oder einem Test kommt es zur Leistungsangst. In weiteren Fällen sind Kinder besonders gehemmt in den sozialen Kontakten (Sozialangst). Sie bekommen von anderen keine Bestätigung, sondern werden von ihnen kritisiert, geärgert oder sogar bedroht. Die Schule wird aufgrund des Leidensdrucks öfter geschwänzt.
Bei einigen Kindern mit Schulangst kommt es zu psychosomatischen Störungen: körperlichen Beschwerden oder Krankheiten, die durch psychische Umstände bedingt sind. Diese Störungen können sich beispielsweise in Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Nervosität und Schlafproblemen äußern.
Anders geartet ist hingegen die Schulphobie. An sich können die Betroffenen die schulischen Leistungen erbringen. Doch es liegt eine Trennungsangst vor. Das bedeutet, dass sie Angst haben, sich von den Bezugspersonen zu entfernen. Die Schulphobie ist gewissermaßen nur ein Symptom der Verlustangst. Allgemein sind betroffene Kinder oft ängstlich oder depressiv veranlagt und machen sich sehr viele Sorgen. Eigentlich haben sie keine Angst vor der Schule selbst und versuchen oft sogar, zum Unterricht zu gehen. Aber bevor oder während sie sich von den Eltern loseisen müssen, kommt bei ihnen Panik auf. Die Angst verschwindet, sobald sie wieder bei den vertrauten Menschen sind. Auch bei der Schulphobie treten oft psychosomatische Beschwerden auf.
Bei einer möglichen Schulangst oder Schulphobie sollte ein Arzt zurate gezogen werden etwa ein Kinder- und Jugendpsychiater oder auch ein Kinderarzt. Der Untersucher führt eine Befragung des Kindes und der Eltern durch, um Details über die Beschwerden, das Verhalten und die Vorgeschichte des Kindes zu erfahren. Auch führt er eine Verhaltensbeobachtung durch. Es kann sinnvoll sein, auch die Lehrer zu interviewen. Das schulische und familiäre Umfeld sollte beleuchtet werden. Damit ausgeschlossen werden kann, dass das Kind in der Schule überfordert ist, kann ein Intelligenztest sinnvoll sein. Mit körperlichen Untersuchungen verschiedener Art kann festgestellt werden, ob körperliche Symptome krankheitsbedingt oder psychosomatisch verursacht sind.
In erster Linie muss die Schulangst von der Schulphobie unterschieden werden, des Weiteren andere angstbehaftete Störungen oder soziale Probleme. Manche Kinder sind ohne Krankheitswert außerdem nur vorübergehend schulmüde oder haben sporadisch „keinen Bock". Sie wollen eher an einer Konsole spielen, anstatt in die weniger spannend erscheinende Schule zu gehen, oder fehlen in der Gruppe, weil sie dabei sein wollen.
Allgemein ist bei schulbezogenen Ängsten eine Steigerung des Selbstwertgefühls und die Reduzierung der Bedenken angezeigt. Dies kann bereits durch die Personen im Umfeld gefördert werden. Der Lehrer sollte von der Schulangst des Betroffenen in Kenntnis gesetzt werden, um das Kind unterstützen und motivieren zu können. Für Probleme sollte der Lehrer jederzeit ein offenes Ohr haben.
Das Kind sollte ermutigt werden, zur Schule zu gehen. Gerade bei der Schulphobie ist es besonders wichtig, dass der Betroffene die Schule besucht. Alle Beteiligten sollten dem Kind vermitteln, dass ihm nichts passiert, wenn es in die Schule geht beziehungsweise sich von den Eltern löst.
Bei schlechten Schulleistungen kann eine Förderung wie eine geeignete Nachhilfe, angebracht sein. Bei bestimmten Umständen kann es sinnvoll sein, wegen einer Schulangst die Schule zu wechseln.
In einigen schweren Fällen kann eine Psychotherapie angebracht sein. Hier eignet sich vor allem eine kognitive Verhaltenstherapie, bei der die negativen Gedanken und Einstellungen behandelt werden können sowie das Verhalten des Kindes trainiert werden kann. Das Selbstwertgefühl kann gesteigert werden und die Angst gesenkt.
Die Ängstlichkeit kann zu einem langwierigen Problem werden. Sowohl Schulangst als auch Schulphobie können sich verstärken, insbesondere durch ein Vermeidungsverhalten. Durch ein verständnisvolles, vertrautes Umfeld, das das Kind aber auch zum Schulbesuch ermutigen muss, ist eine Besserung des Zustandes möglich.
Letzte Aktualisierung am 01.06.2021.