Essstörungen sind Probleme, die mit dem Verhalten gegenüber der Nahrungsaufnahme zu tun haben. Essstörungen können zu schweren Gesundheitsschäden bis hin zum Tod führen. Häufige Formen bei Jugendlichen und Kindern sind Magersucht (Anorexie), Ess-Brech-Sucht (Bulimie) und immer häufiger auch Esssucht mit Fettleibigkeit (Fettsucht). Ein Problem bei Kindern ist außerdem die Verweigerung der Nahrung oder bestimmter Lebensmittel. Mit vielen Methoden kann eine Behandlung von Essstörungen erfolgen. In der Regel eignet sich eine Psychotherapie. Auch die körperlichen Folgen müssen behandelt oder verhindert werden. Gegebenenfalls ist eine stationäre Behandlung in einer Spezialklinik notwendig, insbesondere bei enormem Unter- oder Übergewicht.
Bei den Essstörungen spielen viele Faktoren eine Rolle. Sie entstehen meist durch eine Kombination aus einem begünstigenden Umfeld, eigenen psychischen Besonderheiten, biologischen und genetischen Faktoren. Schon in der Familie können Kinder einen schlechten Umgang mit dem Essen erlernen. Konflikte mit den Angehörigen verstärken die Probleme.
Die Gesellschaft bietet gute Voraussetzungen dafür, dass Essstörungen auftreten können. Einerseits gilt immer noch Schlankheit als Schönheitsideal, andererseits ist kalorienreiche Nahrung praktisch überall und einfach zu bekommen. Für die Fettleibigkeit ist nicht nur die Nahrung verantwortlich, sondern auch der Mangel an körperlicher Bewegung. Entscheidend ist die Energiebilanz. Bei der Magersucht spielt das Körperschema eine Rolle: Die Betroffenen halten sich für zu dick, auch wenn sie schlank sind.
In der Praxis gehören zu den bedeutsamsten Essstörungen die Magersucht, die Ess-Brech-Sucht und die Fettsucht. Meist haben Essstörungen eine psychische Grundlage. Sie ähneln den Suchterkrankungen, denn die Patienten können ihr Verhalten meist nicht mehr selbst steuern und ihre Einstellungen zur Ernährung nicht ändern. Die Gefahr für körperliche Folgeschäden ist groß.
Bei der Magersucht (Anorexia nervosa) haben Betroffene ein falsches Bild vom eigenen Körper. Sie fühlen sich dick, obwohl sie schlank oder untergewichtig sind. Typisch ist, dass das Körpergewicht mindestens 15 Prozent unter dem Normalbereich liegt. Den Betroffenen ist es sehr wichtig, noch weiter abzunehmen. Sie essen so wenig wie möglich und treiben teilweise exzessiv Sport. Die Magersucht ist ein typisches Problem von Mädchen, aber inzwischen immer häufiger auch von Jungen. Bei ausgeprägtem Untergewicht beziehungsweise Mangelernährung können schwere Gesundheitsschäden auftreten, die manchmal bis zum Tod führen können.
Bulimie oder Ess-Brech-Sucht ist ein ähnliches Problem, bei dem die Betroffenen aber anfallsartig sehr viel essen und dies durch Erbrechen zu kompensieren versuchen. Auch werden oft Abführmittel verwendet. Das Körpergewicht kann niedrig, normal oder hoch sein. Ebenfalls durch Fressattacken gekennzeichnet ist das Binge Eating. Hierbei lösen die Betroffenen allerdings kein Erbrechen aus, so dass sie meist zunehmen.
Bei deutlichem Übergewicht kann von einer Essstörung im Sinne einer Fettsucht gesprochen werden. Übergewicht und Fettleibigkeit (starkes Übergewicht) sind immer häufiger auch schon bei Kindern anzutreffen. Ein großer Teil der übergewichtigen Kinder bleibt auch später noch zu dick. Fettleibige tragen ein großes Risiko mit sich, irgendwann Folgeerkrankungen zu bekommen. Dazu gehören Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, Bluthochdruck, Schlafapnoe-Syndrom (kurze Atemaussetzer im Schlaf), Arthrose (Gelenkverschleiß) und Krebs. Die Fitness und die Bewegungsmöglichkeiten sind herabgesetzt. Bei übergewichtigen Kindern sind die psychischen Folgen groß. Viele Betroffene werden gehänselt. Das Selbstwertgefühl sinkt, einige ziehen sich zurück. Eine Depression kann entstehen.
Kinder können des Weiteren ein gestörtes Essverhalten zeigen. Solche Essstörungen können schon im Säuglings- oder Kleinkindalter auffällig werden. Nicht wenige Kinder verweigern das Essen oder lassen sich nur mit größter Mühe füttern. Andere lehnen vehement bestimmte Lebensmittel ab. Ein Problem kann die Bevorzugung von Fast Food, fettreichen oder zuckerhaltigen Lebensmitteln gegenüber gesünderen Produkten wie Gemüse und Obst sein. Hieraus kann sich wiederum eine Fettleibigkeit entwickeln.
Der Arzt führt ein Untersuchungsgespräch mit dem Kind (Anamnese), bei dem die Eltern mit einbezogen werden. Das Gespräch dreht sich um die Symptome, vorherige Erkrankungen, Lebensumstände sowie weitere Auffälligkeiten.
Oft eignen sich besondere Tests und Fragebögen. Der Gang auf die Waage ist aufschlussreich, der Body-Mass-Index (BMI) wird errechnet. Der Arzt beurteilt, ob körperliche Schäden (am Mund, Zähnen, Rachen, Händen) oder gesundheitliche Folgen des Über- oder Untergewichts vorhanden sind. Blut wird abgenommen und im Labor untersucht. Auch andere Untersuchungen wie ein EKG (Elektrokardiogramm) oder ein Ultraschall können erfolgen.
Die verschiedenen Essstörungen können sich untereinander ähneln und müssen abgegrenzt werden. Essstörungen bei Kindern können auch eine organische Erkrankung als Ursache haben, beispielsweise eine Unverträglichkeit. Das Gleiche gilt für Fettleibigkeit, die auch durch hormonelle Störungen oder eine Schilddrüsen-Unterfunktion verursacht werden kann.
Viele Essstörungen lassen sich ambulant behandeln, schwere Fälle bedürfen aber einer Therapie mit Aufenthalt auf einer Klinikstation oder einer Spezialeinrichtung (therapeutische Wohngemeinschaft). Einzeltherapie oder auch Gruppen- oder Familientherapie können sinnvoll sein. Zur Behandlung von Essstörungen gehören verschiedene Maßnahmen, je nach der Art der Probleme und der Ursachen. Eine medizinische Behandlung ist oft wichtig, um die körperlichen Folgen der Mangel-, Fehl- oder Überernährung zu bessern (eine Zwangsernährung bei Magersucht). Aber auf längere Sicht ist meist eine Psychotherapie notwendig, um Rückfälle zu verhindern. Arzt, Patient und gegebenenfalls Eltern stellen zusammen einen Behandlungsplan auf.
Ein zentraler Bestandteil der Behandlung von Essstörungen sind oft die Sitzungen der Psychotherapie. Die Therapie muss sich danach richten, welche Einflüsse zu der Störung geführt haben, wie die Persönlichkeit, Selbstwertstörungen, familiäre Einflüsse und Konflikte, verschobene Körperwahrnehmung, biologische Ursachen. Die Möglichkeiten umfassen eine Psychoanalyse, eine Verhaltenstherapie, eine Gesprächstherapie oder andere Methoden wie ein Psychodrama. Der Patient schließt mit dem Therapeuten einen Therapievertrag, den er einhalten soll. Er führt ein Protokoll über sein Essverhalten.
Medikamente können bei Essstörungen erforderlich sein. Auch die pädagogischen und unterstützenden Maßnahmen sowie die Ernährungsberatung sind wichtig. Außerdem kann der Gang zur Selbsthilfegruppe nützlich sein.
Erschwerend ist, dass Betroffene mit Essstörungen sich oft nicht von selbst in eine Behandlung begeben. Viele wollen eine Therapie umgehen oder haben nicht die Einsicht, dass es sich um ein ernstes Problem handelt. Daher ist ein Beratungsangebot, das sich auch an Angehörige richtet, notwendig. Von dieser Beratung aus kann nötigenfalls in die Wege geleitet werden, dass der Betroffene behandelt wird oder zu den Spezialisten vermittelt wird.
Essstörungen gelten als schwer zu behandeln. Wird die Störung jedoch früh erkannt und eine Therapie in die Wege geleitet, ist die Prognose relativ gut. Alle Essstörungen können zu Gesundheitsstörungen und negativen psychischen Folgen wie einem herabgesetzten Selbstwertgefühl führen. Nicht wenige Betroffene brechen eine Behandlung ab oder befolgen die Anweisungen nicht. Ist die Behandlung abgeschlossen, so kommt es relativ häufig zu einem Rückfall. Die Magersucht führt in 10 bis 15 Prozent der Fälle zum Tod.
Letzte Aktualisierung am 27.05.2021.