Schätzungsweise vier Prozent der Schüler in Deutschland sind von einer Leseschwäche und Rechtschreibschwäche betroffen. Wahrscheinlich haben noch etwas mehr Schüler eine Rechenstörung. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) wird als Legasthenie bezeichnet, eine Rechenschwäche als Dyskalkulie. Die Probleme treten unabhängig von der Bildung und Intelligenz auf, das bedeutet, dass keine allgemeine Intelligenzminderung vorliegt. Die Lese- und Rechtschreibstörungen sowie Rechenstörungen gehören zu den umschriebenen Entwicklungsstörungen (Teilleistungsstörungen). Betroffene machen viele Fehler beim Schreiben und Lesen oder bei mathematischen Aufgaben. Je früher die Störung erkannt wird, umso besser lässt sich durch Förderung und Therapie eine Besserung der Leistungen auf diesem Gebiet erreichen.
Die Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) und die Rechenschwäche (Dyskalkulie) entstehen unter Beteiligung verschiedener Faktoren.
Die Störungen haben vermutlich oftmals eine erbliche Grundlage. Verwandte von Menschen mit diesen Schwächen sind häufiger ebenfalls betroffen als andere Personen. Es handelt sich wohl um ein Zusammenspiel mehrerer Gene, die die Störungen begünstigen. Auch kleine Schäden des Gehirns im Mutterleib oder während der Geburt können eine Ursache darstellen. Bei Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche ist die Verarbeitung und Reizweiterleitung in bestimmten Anteilen des Gehirns gestört.
Bei Legasthenie betrifft es die Buchstaben, bei Rechenschwäche die Zahlen. Schwierigkeiten in der bewussten Wahrnehmung (Hören, Sehen) wirken sich negativ auf die Fähigkeiten aus. Viele Betroffene hatten als kleine Kinder eine verzögerte Sprachentwicklung. Außerdem spielt für die Legasthenie eine Rolle, wie viel oder wenig ein Kind zu Hause liest. Aber auch bei Kindern, die zu viel fernsehen (über zwei Stunden am Tag), leiden die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten.
Die Störungen umfassen die Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) und Dyskalkulie (Rechenschwäche). Treten Probleme nur beim Schreiben auf, handelt es sich um eine Rechtschreibschwäche, häufiger ist jedoch die kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung. Lese-, Schreib- und Rechenprobleme zeigen sich natürlich auch bei Lernanfängern. Bleiben die Schwierigkeiten aber über längere Zeit bestehen, handelt es sich um eine tatsächliche Schwäche. Üblicherweise werden bei einer solchen Störung auch immer unterschiedliche Fehler gemacht, die nicht etwa konstant bleiben.
Leseschwierigkeiten bei der Legasthenie können sich deutlich bemerkbar machen, insbesondere beim Vorlesen. Betroffene lesen meist langsam und holprig. Sie machen viele Fehler beim Vorlesen wie falsche Wörter oder Buchstaben, Verdrehungen, Weglassen oder Hinzufügen von Wortbestandteilen. Manchmal fangen sie auffallend langsam mit dem Lesen an oder verlieren das aktuelle Wort oder die Zeile. Häufig wirken die Betroffenen nervös, wenn sie lesen sollen. Sie nehmen die Informationen zudem oft nicht richtig auf und können dann den Inhalt des Textes durch Lesen nicht gut erfassen.
Beim Schreiben werden die Schwierigkeiten ebenfalls schnell offensichtlich. Generell tauchen bei Legasthenikern sehr viele Rechtschreibfehler auf. Auch im Schriftbild werden Buchstaben und Silben vertauscht, ausgelassen oder verdoppelt, die Klein- und Großschreibung ist häufig falsch. Für Außenstehende sehen die Fehler teils haarsträubend aus. Die Lautregeln und Zeichenregeln sind oft nicht richtig beachtet.
Dyskalkulie, die Rechenschwäche, zeigt sich in grundlegenden Problemen beim Umgang mit Zahlen. Betroffene können nicht wie andere Menschen problemlos Zahlen zusammenzählen oder abziehen, malnehmen oder teilen. Oft müssen sie bei einfachen Rechnungen umständlich einzelne Werte abzählen oder die Finger zu Hilfe nehmen. Umgekehrt werden offensichtliche Rechenfehler nicht erkannt. Teils können die Zahlen und Rechenzeichen schwer gelesen und erkannt werden. Betroffene können oftmals Mengen nicht gut abschätzen und Mengenunterschiede nicht verstehen. Zudem können sich zusätzlich Schwierigkeiten in der Geometrie oder z. B. auch im Lesen von Landkarten zeigen. Die Erscheinungsform der Rechenschwäche kann unterschiedlich sein und den Betroffenen ganz bestimmte Schwierigkeiten bereiten.
Menschen mit Legasthenie oder Dyskalkulie haben eine normale Intelligenz. Typischerweise haben Betroffene in Schulfächern, bei denen es nicht aufs Schreiben beziehungsweise Rechnen ankommt, gute Noten. Manche sind auf allen anderen Feldern sogar sehr begabt, nur eben beim Lesen, Schreiben oder Rechnen nicht.
Weil die Betroffenen deprimiert sind, können Folgeerscheinungen der Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche auftreten. Dazu gehören Nervosität und Ängstlichkeit, getrübte oder gereizte Stimmung, Konzentrationsstörungen und sogar gehemmte soziale Kontakte. Eine Schulangst kann hervorgerufen werden. Die Schwächen können schließlich zu erheblichen schulischen, beruflichen und sozialen Nachteilen des Betroffenen führen. Menschen mit Legasthenie oder mit Rechenschwäche werden oft für dumm gehalten, obwohl sie an sich intelligent sind.
Der Untersucher befragt Kind und Eltern (Anamnese) bezüglich der Probleme beim Lesen, Schreiben oder Rechnen. Er erfragt, ob es noch weitere Leistungsschwächen gibt und erkundigt sich auch über das schulische und familiäre Umfeld des Betroffenen. Die Schulnoten sind ein wichtiges Kriterium (z. B. schlechte Mathematik-Note bei ansonsten guten Noten). Der Untersucher stellt fest, ob es einen unangemessenen Leistungsdruck oder seelische Belastungen des Kindes gibt. Die Leistung des Kindes in den verschiedenen Bereichen kann mit Tests herausgefunden werden. Dabei wird sowohl allgemein die Intelligenz geprüft als auch explizit das Vermögen, gut lesen, schreiben und rechnen zu können. So kommen beispielsweise Diktate, Vorlese-Tests oder Rechenaufgaben zum Einsatz, ebenso aber ein Intelligenztest. Auch weitere Aspekte der persönlichen Entwicklung werden überprüft. Anhand der Ergebnisse der Tests kann die Diagnose gestellt werden.
Von den Lese-Rechtschreib- oder Rechenstörungen müssen körperliche Störungen als Ursache ausgeschlossen werden. Beispiele sind Probleme mit dem Sehen (Fehlsichtigkeit) oder Schwerhörigkeit. Auch muss eine allgemeine Entwicklungsstörung oder eine Intelligenzminderung ausgeschlossen werden.
Mit einer Behandlung der Störungen sollte rechtzeitig angefangen werden, am besten schon von der zweiten Schulklasse an oder auch noch eher. So kann einer ausgeprägten Legasthenie oder Rechenstörung bereits früh entgegengesteuert werden.
Die Therapie besteht hauptsächlich in Fördermaßnahmen, um die Defizite des Kindes zu verringern. Die Maßnahmen erfolgen auch außerhalb der Schule. Das Kind führt regelmäßig entsprechende Übungen des Lesens, Schreibens oder Rechnens aus. Diese Übungen bedienen sich verschiedener Methoden und werden am Computer oder spielerisch durchgeführt. Konzentrationsübungen und Entspannungsverfahren können darüber hinaus oft sinnvoll sein.
Die Menschen im Umfeld müssen darüber aufgeklärt werden, um was es sich bei der Störung handelt. Wenn die Eltern oder Bezugspersonen sowie Lehrer eingehend über die Legasthenie oder Dyskalkulie informiert werden, können sie den psychischen Druck auf das betroffene Kind vermindern. Sie bekommen Hinweise, wie sie mit dem Betroffenen umgehen können. Die Vorzüge und Fähigkeiten des Kindes sollten hervorgehoben werden, aber die problematischen Bereiche sollten gefördert werden. Dabei werden Ängste abgebaut und das Selbstbewusstsein des Kindes gestärkt. Sollten schon deutliche negative Auswirkungen auf die Seele vorhanden sein, so sollte eine spezielle Behandlung durchgeführt werden.
Die Störung Legasthenie oder Dyskalkulie bleibt ein Leben lang bestehen. Mit einem frühzeitigen Training können die Fähigkeiten in diesen Bereichen verbessert werden. Häufig kann trotz aller Fördermaßnahmen dennoch kein gutes Rechtschreib- oder Rechenniveau erreicht werden. Eine besondere Bedeutung hat daher die seelische Unterstützung der Betroffenen und der Fokus auf die Stärken und Talente des Kindes.
Letzte Aktualisierung am 31.05.2021.