Unter den Persönlichkeitsstörungen wird eine Reihe psychiatrischer Krankheitsbilder zusammengefasst, die insgesamt relativ unterschiedlich sind. Gemeinsam ist den Persönlichkeitsstörungen, dass sie als Extremformen bestimmter Charaktereigenschaften angesehen werden können.
Die starken Besonderheiten der Persönlichkeit kommen dabei immer wieder zum Vorschein. Zum Teil kommt es durch die Persönlichkeitsstörung zu einer Beeinträchtigung des sozialen oder beruflichen Lebens. Trifft dies zu, so ist eine Behandlung der Störung angezeigt. In der Regel eignet sich dazu eine Psychotherapie.
Die wesentlichen Formen der Persönlichkeitsstörungen sind:
Die Ursachen sind nicht ganz eindeutig, mehrere Einflüsse sind für die Persönlichkeitsstörungen verantwortlich. Eine Tendenz zu einer Persönlichkeitsstörung wird über die Gene weitergegeben. Möglicherweise ist der Stoffwechsel im Gehirn verändert, so dass es ein Ungleichgewicht an Botenstoffen gibt.
Ebenso können aber auch Einflüsse aus dem Umfeld die Persönlichkeitsstörung begünstigen. Ein Faktor, der eine Rolle spielt, ist die Entwicklung in der Kindheit. Wenn bestimmte Lernvorgänge gestört oder konflikthaft ablaufen, kann ein Verhaltensmerkmal verstärkt werden. Das ist besonders bei einer problematischen Kindheit oder bei einschneidenden Erlebnissen (Todesfall einer nahestehenden Person, Trennung der Eltern, häusliche Gewalt) der Fall.
Ganz allgemein gilt für alle Persönlichkeitsstörungen, dass jeweilige Charaktereigenschaften des Menschen besonders stark hervortreten. Dies führt zu einem auffälligen, von der Normalität abweichenden Verhalten. Besonders in schwierigen Situationen kommt die Persönlichkeitsstörung zum Tragen. Das typische Verhalten des Betroffenen ist starr und bleibt über die Zeit bestehen.
Die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen. Einige Störungen sind durch seltsames, exzentrisches Verhalten gekennzeichnet (paranoide, schizoide und schizotypische Persönlichkeitsstörung). Bei einer anderen Überform zeigen Patienten ein übermäßig emotionales und theatralisches Verhalten (Borderline, impulsive/instabile, histrionische, dissoziale, narzisstische Persönlichkeitsstörung). Die dritte Gruppe der Störungen sind durch Angst und Vermeidungsverhalten gekennzeichnet (ängstliche, abhängige, anankastische, passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung).
Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung sind vor allem sehr misstrauisch. Praktisch alles wird so aufgefasst, dass es mit feindlicher Absicht gegen sie gerichtet ist. Das gilt auch für ein normales oder freundliches Verhalten von anderen Personen. Betroffene zeigen sich auch sehr schnell beleidigt. Sie sind streitlustig und sehr Ich-Bezogen.
Diese Störung ist durch emotionale Kälte gekennzeichnet. Die Betroffenen können ihre Gefühle nicht ausdrücken. Sie ziehen sich zurück und sind Einzelgänger, kommunizieren kaum nach außen. Sie sind ebenfalls misstrauisch gegenüber anderen Personen. Dabei haben die Betroffenen ausgeprägte Phantasien.
Diese Störung heißt auch schizotype Persönlichkeitsstörung oder „Grenz-Schizophrenie". Betroffene zeigen ein ungeschicktes und sonderbares zwischenmenschliches Verhalten. Ihnen fällt es sehr schwer, gute soziale Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. Betroffene gelten als sehr unkonventionell. Die Wahrnehmung der Realität und die Gedanken sind verzerrt, was auch ein Kennzeichen einer Psychose oder Schizophrenie ist.
Die Borderline-Störung ist eine Problematik, bei der Betroffene sehr starke Gefühle gegenüber anderen Personen zeigen. Diese können sowohl positiv als auch negativ sein, was sich häufig rasch abwechselt. Ebenso instabil sind die persönlichen Beziehungen. Borderline-Patienten haben den Hang zur Selbstverletzung.
Neben Borderline im engeren Sinne gibt es aber noch eine zweite Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, nämlich den impulsiven Typ. Betroffene können besonders schwer ihre Impulse beherrschen.
Früher wurde diese Störung „Hysterie" genannt. Betroffene zeigen ein gekünsteltes, schauspielerisches Verhalten. Sie wollen unbedingt der Mittelpunkt des Geschehens sein. Sie wollen besonders attraktiv sein und scheuen auch vor Lügen und übertriebenen Geschichten nicht zurück, um Aufmerksamkeit zu erreichen.
Menschen mit dissozialer oder antisozialer Persönlichkeitsstörung missachten im großen Ausmaß gesellschaftliche Normen. Sie können sich nicht in andere Menschen hineinversetzen und gelten als egoistisch. Sie sind oftmals aggressiv und spüren keine Schuld und Reue. Daher verstoßen sie oft gegen Gesetze und sind unfähig, aus ihren Fehlern zu lernen.
Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung sind sehr Ich-Bezogen und neigen zur Überschätzung ihrer Fähigkeiten. Sie haben in ihrem Innern allerdings auch starke Selbstzweifel. Dies kompensieren sie damit, dass sie nach außen hin übermäßig selbstbewusst wirken. Das Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen ist mangelhaft.
Diese zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist durch einen starken Perfektionismus gekennzeichnet. Betroffene sind übertrieben genau und richten sich starr nach gegebenen Regeln. Alles muss exakt kontrolliert werden. Dies kann manchmal von Vorteil sein, oft aber zu Problemen führen, weil sie dadurch in ihren Handlungen blockiert werden. Zudem ist die mangelnde Flexibilität eine hinderliche Eigenschaft.
Betroffene mit dieser ängstlich-vermeidenden Störung machen sich ständig Sorgen. Sie sind sehr unsicher und fühlen sich minderwertig. Oft ist es den Betroffenen hinderlich, dass sie überall auf Nummer Sicher gehen müssen. Viele Situationen werden vermieden, um kein Risiko einzugehen.
Die abhängige (dependente, asthenische) Persönlichkeitsstörung bedeutet, dass Betroffene sich alleine unfähig fühlen und Hilfe von anderen Menschen benötigen. Um Zurückweisung von anderen zu verhindern, versuchen sie es ihnen immer recht zu machen. Dabei zeigen sie eine eigene ausgeprägte Willensschwäche.
Diese Menschen sind negativistisch eingestellt. Gegenüber Anforderungen im Beruf oder von anderen Menschen zeigen sie einen passiven Widerstand (Verweigerung, „Trotz"). Oft fühlen sich die Betroffenen ungerecht behandelt.
Die Merkmale mehrerer Persönlichkeitsstörungen können bei einem Menschen auch zusammen auftreten, beispielsweise narzisstische und emotional instabile Verhaltensweisen.
Für die Diagnose der jeweiligen Persönlichkeitsstörung gibt es bestimmte Kriterien, von denen ein Anteil erfüllt sein muss. Der Psychiater führt ein Diagnosegespräch (Anamnese) mit dem Patienten.
Die Einstellungen und Charakteristika der Person kommen zur Sprache, die verspürten psychischen und sozialen Beschwerden, ebenso die persönliche Vorgeschichte und Kindheit. Der Arzt beobachtet auch das Verhalten und die Persönlichkeitsmerkmale, die zum Vorschein kommen. Manchmal sind weitere, auch den Körper betreffende, allgemeine oder spezielle Untersuchungen erforderlich.
Wegen der Vielzahl der möglichen Persönlichkeitsstörungen müssen einige weitere psychiatrische Krankheitsbilder abgegrenzt werden. Bestimmte Störungen haben ein ähnliches Beschwerdebild wie die jeweilige Persönlichkeitsstörung.
Die Behandlung der Störungen unterscheidet sich zwischen den einzelnen Formen. Vielfach kommen eine Psychotherapie oder teils auch eine Behandlung mit Medikamenten in Frage. Teilweise gibt es spezielle Therapiemaßnahmen.
Als Psychotherapie werden bei Persönlichkeitsstörungen häufig tiefenpsychologische Verfahren durchgeführt. Dazu gehört die Psychoanalyse. Auch eine Verhaltenstherapie kann sich bei bestimmten Störungen eignen. Einerseits soll der Patient selbst erkennen, dass er sich unangemessen verhält, andererseits soll er zu einem normalen Denken und Handeln hin geschult werden. Der berufliche Alltag und das soziale Zusammenleben soll durch psychotherapeutische und andere Maßnahmen verbessert werden.
In einigen Fällen ist die Gabe von Medikamenten sinnvoll. Dazu können beispielsweise Antidepressiva (Medikamente gegen Depressionen), Angstlöser und Neuroleptika (Medikamente gegen Psychosen) eingesetzt werden.
Persönlichkeitsstörungen sind Charakterzüge, die nicht ohne weiteres beseitigt werden können. Durch eine Behandlung ist aber eine Besserung der Symptome möglich. Es kann so erreicht werden, dass ein einigermaßen normales Zusammenleben mit den Mitmenschen möglich ist und keine Beeinträchtigung der Berufsausübung mehr vorhanden ist.
Letzte Aktualisierung am 20.05.2021.