Anhand einer Beobachtung des Verhaltens eines Menschen kann der erfahrene Psychologe oder Psychiater Informationen gewinnen, die Hinweise für bestimmte psychische Störungen liefern können. Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten der Verhaltensbeobachtung noch während des Patientengesprächs oder in bestimmten anderen Situationen. Eine Verhaltensbeobachtung wird häufig bei Kindern und Jugendlichen vorgenommen, kann aber auch bei Erwachsenen sinnvoll sein. Gelegentlich werden zur Verhaltensbeobachtung Hilfsmittel genutzt wie Videoaufzeichnungen. Die Beobachtungen können ohne ein besonderes Schema, aber auch strukturiert beziehungsweise standardisiert sein.
Die Verhaltensbeobachtung ist ein Mittel, das praktisch bei jeder psychologischen oder psychiatrischen Untersuchung allgemein eingesetzt wird. Jeder Mensch gibt über sein Verhalten etwas von seinem Innenleben preis. Diese Informationen können dann vom Psychiater oder Psychologen gedeutet werden. Die Beobachtung des Verhaltens dient der Diagnosefindung und auch der Vorbereitung auf eine Behandlung wie eine Verhaltenstherapie. Die Verhaltensbeobachtung ist auch für die Pädagogik wichtig.
Im Speziellen wird eine gezielte Verhaltensbeobachtung am häufigsten bei Kindern vorgenommen sowie auch bei Jugendlichen. Gelegentlich erfolgt die Verhaltensbeobachtung bei erwachsenen Personen. Meist werden einzelne Personen beobachtet. Bisweilen wird das Verhalten von kleineren oder größeren Gruppen untersucht.
Der Untersucher macht sich bei einer Verhaltensbeobachtung ein Bild vom Inneren der Person, indem er deren Handlungen und Bewegungen sowie die Auffälligkeiten bei ihrer Ausführung deutet. Zuerst wird das Verhalten der Person nur beschreibend festgehalten. Erst danach interpretiert der Untersucher seine Beobachtungen. Die Erkenntnisse können dann für eine spätere Behandlung oder, aus pädagogischer Sicht, für die Erziehung genutzt werden.
Ein besonders wichtiger Aspekt des Verhaltens ist die Körpersprache (nonverbale Kommunikation). Dazu zählen die Mimik und Gestik sowie die Körperhaltung, welche auf die psychische Verfassung hindeuten. Beurteilt werden aber auch allgemein die Handlungen der Person und andere Auffälligkeiten wie die Sprache und Stimme. Falls eine Gruppe von Personen beobachtet wird, spielen der Umgang und die Kommunikation zwischen den einzelnen Menschen eine Rolle. Nur indirekt zum Verhalten gehören Faktoren wie beispielsweise die Bekleidung, der hygienische Zustand des Körpers sowie das Körpergewicht und die Fitness. Diese erlauben Rückschlüsse auf den Umgang des Patienten mit sich selbst im Alltagsleben.
Die Verhaltensbeobachtung kann auf verschiedene Weise ablaufen. Das hängt schon davon ab, unter welchen Umständen das Verhalten der jeweiligen Person beobachtet wird. In vielen Fällen findet die Verhaltensbeobachtung, oft ohne eine besondere Strukturierung, während einer gewöhnlichen psychiatrischen Untersuchung statt. Der Untersucher achtet während des Gesprächs auf die Handlungsweisen des Patienten. Die Verhaltensbeobachtung erfolgt oftmals aber auch in bestimmten Situationen im alltäglichen Umfeld oder in einer psychiatrischen Einrichtung. Einige Beispiele ist die Verhaltensbeobachtung innerhalb der Familie, einer sozialen Gruppe, der Schule oder Arbeit, im Spiel, während einer Belastungssituation oder beim Umgang mit anderen Patienten und medizinischem Personal. Zum Teil ist der Beobachter direkt in die Vorgänge involviert, manchmal betrachtet er das Verhalten auch bloß von außen.
Erfolgt die Beobachtung des Verhaltens ungezielt, dann wird von einer Gelegenheitsbeobachtung gesprochen. Sie steht im Gegensatz zu einer systematischen Beobachtung. Bei der systematischen Beobachtung geht der Untersucher nach einem bestimmten Muster vor etwa nach einer Bewertungsskala oder einem Bogen, in dem bestimmte Verhaltenskriterien festgehalten werden können.
Für die Verhaltensbeobachtung werden oftmals Hilfsmittel eingesetzt. Das am häufigsten verwendete Hilfsmittel ist die Videoaufnahme. Die Videodokumentation des Verhaltens hat den Vorteil, dass der Patient mehrmals genau beobachtet werden kann und auch von mehreren Untersuchern begutachtet werden kann. Eine Videoaufnahme ist nicht ohne die Zustimmung des Patienten (beziehungsweise bei Kindern die Zustimmung der Eltern) möglich.
Die Verhaltensbeobachtung ist ungefährlich.
Die Verhaltensbeobachtung allgemein ist ein Teil der psychiatrischen Grunduntersuchung, ebenso wie das Patientengespräch (Anamnese). Weitere Informationen erhält der Arzt über psychologische Tests und durch die körperliche beziehungsweise neurologische Untersuchung (Untersuchung des Nervensystems). Damit körperliche Ursachen für Erkrankungen ausgeschlossen werden können, werden Laboruntersuchungen und apparative Verfahren (Bildgebung, Hirnstrommessung) vorgenommen.
Letzte Aktualisierung am 28.05.2021.