Die Familiendiagnostik umfasst Untersuchungen, mit denen der Psychiater Informationen über Beziehungen und psychische Auffälligkeiten innerhalb einer Familie gewinnt. Dazu können Familiengespräche und psychologische Untersuchungen mehrerer Familienmitglieder gehören. Im weiteren Sinne zählt aber bereits die Befragung eines Patienten über dessen familiäre Verhältnisse zur Familiendiagnostik. Auf ähnliche Weise können psychische und soziale Besonderheiten innerhalb einer Partnerschaft (Paardiagnostik) oder einer Gruppe (Gruppendiagnostik) erhoben werden.
Generell ist die Familiendiagnostik ein Element jeder Untersuchung der Psyche. Zu dem Patientengespräch gehört immer auch eine Erfragung familiärer Zusammenhänge, da diese eine große Rolle bei der Entwicklung psychischer Besonderheiten spielen. Einige psychische Störungen treten familiär gehäuft auf wie Angststörungen.
Eine gezielte Familiendiagnostik ist sinnvoll, wenn vermutet wird, dass psychische Störungen durch familiäre Faktoren bedingt sind oder dass eine psychische Störung eines Menschen umgekehrt starke Auswirkungen auf andere Familienmitglieder hat. Die Familiendiagnostik kann bei Kindern und Jugendlichen sehr bedeutsam sein, da deren Psyche durch die Angehörigen stark beeinflusst wird. Einen besonderen Stellenwert hat die Familiendiagnostik vor einer systemischen Therapie, also einer Behandlung, die mehrere Personen aus einer sozialen Gruppe mit einbezieht. Ein Gespräch mit Familienmitgliedern hat dabei gleichzeitig auch einen therapeutischen Nutzen.
Die Familiendiagnostik stützt sich meist zunächst auf das Gespräch mit dem Patienten über seine Familie und deren Auffälligkeiten. Eine solche Familienanamnese beinhaltet die Frage, ob es psychische Erkrankungen von Verwandten des Patienten gibt. Ebenfalls bringt der Arzt in Erfahrung, ob bestimmte Faktoren innerhalb der Familie die Entstehung psychischer Störungen begünstigen. Zu solchen Gegebenheiten zählen gestörte Beziehungen und Konflikte zwischen Familienangehörigen ebenso wie eine allgemein ungünstige Grundstimmung innerhalb der Familie.
Im engeren Sinne gehört zur Familiendiagnostik das Gespräch mit den Angehörigen. Der eigentliche Patient kann mit einbezogen werden, oder der Arzt spricht ohne den Patienten mit dessen Familienmitgliedern. Vor einem solchen Gespräch wird dem Arzt empfohlen, die Zustimmung des Patienten einzuholen. Der Psychiater erfragt mögliche Besonderheiten der Strukturen innerhalb der Familie, das Verhältnis der einzelnen Angehörigen zu dem Patienten und die generelle psychische und soziale Lage der Familie. Der Psychiater kann dabei durchaus auf psychische Störungen von anderen Familienmitgliedern treffen. Nicht selten werden Hilfsmittel wie eine Videoaufzeichnung des Gesprächs genutzt. Das Gespräch im Familienkreis stellt oft gleichzeitig eine Form der Behandlung dar, da das gegenseitige Verständnis und die Kommunikation untereinander positiv beeinflusst werden können.
Weitere Elemente der Familiendiagnostik können gezielte Methoden aus der psychiatrischen Untersuchung sein. So können beispielsweise psychologische Tests auf mehrere Familienmitglieder angewendet werden, um die Besonderheiten der einzelnen Personen in einen Zusammenhang stellen zu können.
Werden entsprechende Untersuchungen bei einem Paar vorgenommen, so kann dies als Paardiagnostik bezeichnet werden. Ähnliche Untersuchungen innerhalb einer beliebigen Gruppe von Personen mit Beziehungen untereinander werden systemische Diagnostik genannt.
Die Familiendiagnostik, insbesondere das Familiengespräch, kann zu manchen Problemen führen. So können oft nicht alle Zusammenhänge geklärt werden, da einige Sachverhalte verschwiegen werden können, um weiteren Problemen in der Familie aus dem Weg zu gehen. Umgekehrt können unter Umständen Konflikte eskalieren. Da die Familiendiagnostik unter psychologischer beziehungsweise psychiatrischer Leitung vorgenommen wird, können die Probleme dann allerdings häufig wieder behoben werden.
Die Familiendiagnostik steht im Kontrast mit der Diagnostik der Psyche eines einzelnen Patienten. Hier ist die Eigenanamnese (Gespräch über patienteneigene Faktoren) eines der grundlegenden Untersuchungsverfahren. In vielen Fällen gehören zu einer psychiatrischen Diagnostik noch psychologische Tests, die körperliche Untersuchung und die apparative Untersuchung.
Letzte Aktualisierung am 28.05.2021.