Die Gestalttherapie ist eine Art der Psychotherapie, die humanistisch (auf die freie Entfaltung des Menschen bezogen) und gegenwartsbezogen ist. In der Gestalttherapie werden dem Patienten Gefühle bewusst gemacht, damit innere Blockaden gelöst und somit psychische Störungen behandelt werden können. In der Gestalttherapie kommen verschiedene Techniken zum Einsatz wie Dialoge, Rollenspiele oder Verhaltensexperimente. Der Therapeut konfrontiert den Patienten mit einer Situation und frustriert ihn immer weiter, um Hemmungs- und Vermeidungsmechanismen zu durchbrechen. Gleichzeitig unterstützt und ermutigt der Therapeut den Patienten.
Die Gestalttherapie kann zur Behandlung von diversen psychischen Störungen vorgenommen werden. Besonders eignet sich die Gestalttherapie bei Neurosen, denn bei diesen Störungen finden sich Abwehrmechanismen, welche durch die Methode gelöst werden können. Zu den Neurosen gehören hauptsächlich Angststörungen und Zwangserkrankungen. Weitere Anlässe für eine Gestalttherapie können unter anderem Depressionen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen (schwere psychische Erkrankungen mit verzerrter Wahrnehmung) oder psychosomatische Störungen (psychische Probleme mit körperlichen Symptomen) sein. Eine Gestalttherapie ist bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen möglich.
Die Gestalttherapie wurde ab den 1940er Jahren von dem deutschen (später nach Amerika ausgewanderten) Psychiater Fritz Perls, seiner Ehefrau Laura Perls sowie auch vom amerikanischen Schriftsteller und Philosophen Paul Goodman entwickelt. Die Gestalttherapie orientiert sich an der Richtung der Gestaltpsychologie. Der Begriff Gestalt steht für eine Erscheinung im Ganzen, welche mehr Bedeutung enthält als die Summe ihrer Einzelteile. Aus gestaltpsychologischer Sicht ist auch die Persönlichkeit eines Menschen eine Gestalt. Sie besteht aus vielen Facetten, die miteinander verbunden sind und im Zusammenspiel wirken. Die Gestalttherapie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der außerdem Körper, Geist und Seele als zusammengehörig ansieht. Auch wird der Behandlungsverlauf als wichtiger erachtet als die einzelnen Schritte.
In der Gestalttherapie wird die psychische Gesundheit als ein Zustand begriffen, bei dem sich der Mensch frei entfalten kann, persönlich wachsen kann und problemlos an das Umfeld anpassen kann. Eine psychische Krankheit entsteht dann, wenn diese Funktionen gehemmt werden oder eine Vermeidung stattfindet. Das gilt im Besonderen für Neurosen (Angst- und Zwangsstörungen), weil dort Abwehrmechanismen ins Spiel kommen.
Die Gestalttherapie setzt an der Gegenwart an. Die Vorgeschichte des Patienten spielt in der Gestalttherapie keine Rolle. In den Behandlungssitzungen soll der Patient unmittelbar Situationen durchleben. Das geschieht vor allem bei erlebnisbezogenen, darstellerischen Methoden, in denen der Patient seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. Er führt einen Dialog mit Personen, die er sich vorstellt, es gibt aber noch eine ganze Reihe von Techniken. Der Patient wird mit einem meist für ihn unangenehmen Thema konfrontiert. Der Therapeut führt die Situation so weiter, dass es zu einer Frustration des Patienten kommt. Die Frustration lässt sich in der Gestalttherapie nicht vermeiden und dient dem Behandlungsfortschritt. Der Therapeut gibt dem Patienten aber bei Bedarf auch eine emotionale Hilfsstellung. Durch die Frustration wird ein gehemmtes oder vermeidendes Verhalten so lange beansprucht, bis innere Blockaden des Patienten aufbrechen.
Das Ziel der Gestalttherapie ist es, dem Patienten seine entstehenden Gefühle bewusst zu machen. So ist es möglich, dass der Patient an sonst verborgene Emotionen herankommt. Gehemmte Persönlichkeitseigenschaften können wieder hervorgeholt werden. Die Kreativität und die Fähigkeit, Probleme zu bewältigen, können bei der Gestalttherapie verstärkt werden. Der Umgang mit anderen Menschen kann verbessert werden. Ein anderer wichtiger Aspekt der Gestalttherapie ist die freie persönliche Entfaltung und die Selbstbestimmung. Der Mensch soll begreifen, dass er sein Leben selbst in der Hand hat. Durch alle diese Faktoren kann es zu einer Verbesserung des psychischen Zustandes kommen. Die Gestalttherapie wird daher bei psychischen Störungen angewendet.
Die Gestalttherapie kann mit einem einzelnen Patienten, aber auch in der Gruppe oder als Familien- oder Paartherapie vorgenommen werden. Wie viele Behandlungstermine angesetzt werden, richtet sich unter anderem nach der Schwere der psychischen Störung. Meist finden zwischen 25 und 100 Sitzungen statt.
In der Sitzung können unterschiedliche Techniken eingesetzt werden. Der Patient kann angehalten werden, einen Dialog zu führen mit sich selbst und seinen gehemmten Persönlichkeitsaspekten, oder eine Unterhaltung mit einer Person in der Vorstellungswelt. Er kann aus einer Traumfigur heraus sprechen. Rollenspiele können durchgeführt werden. Ausflüge in eine Phantasiewelt sind ebenso mögliche Maßnahmen wie Sprachspielereien. Der Patient spielt mit dem Therapeuten Situationen durch und kann mit seinem Verhalten experimentieren. Schließlich kommen oft verborgene Emotionen und Potenziale zum Vorschein.
Genaues ist bezüglich der Risiken bei einer Gestalttherapie nicht bekannt. Aussagen über Probleme lassen sich nur aus der Behandlungserfahrung heraus treffen. So kann es zu emotional stark belastenden Zuständen kommen.
Die Gestalttherapie ist eine Methode, zu der es bisher nur wenige Untersuchungen über die Wirksamkeit gab. Häufig zeigt sich aber, dass eine Besserung des psychischen Zustandes möglich ist. Die Gestalttherapie kann ein geeignetes Mittel sowohl bei ganz verschiedenen psychischen Störungen als auch bei Menschen, die persönliche Schwierigkeiten bewältigen wollen, sein. Die Gestalttherapie kann für einen besseren Zugang zu den eigenen Gefühlen, für Fähigkeiten im Alltag und für die Selbstverwirklichung dienlich sein.
Die Gestalttherapie kann für ein breites Spektrum von psychischen Störungen angewendet werden. Daher gibt es viele mögliche Behandlungsalternativen. Andere humanistische Methoden wie die Gesprächspsychotherapie sind ebenso denkbar wie verhaltenstherapeutische oder tiefenpsychologische Verfahren.
Die Gestalttherapie wird in Deutschland nicht standardmäßig von den Krankenversicherungen gestützt. Über die Finanzierung sollte der Patient sich daher vor dem Behandlungsbeginn informieren.
Letzte Aktualisierung am 21.05.2021.