Beim Thema „häusliche Gewalt“ denken die meisten vermutlich zuerst an Männer, die ihre unkontrollierte Wut an Frauen oder Kindern auslassen. Doch statistisch gesehen ist die häufigste Form der häuslichen Gewalt der Geschwisterstreit. Rund alle 17 Minuten bekommen sich Geschwister in die Haare. Meist ist der Grund harmlos, meist bleibt es bei schnippischen Bemerkungen oder ein paar Rangeleien. Und genauso schnell ist der Streit in der Regel auch wieder vergessen.
Solche Zankereien sind normal. Sie kommen in allen Familien vor. Eltern sollten sich in derartige Geschwisterstreitigkeiten möglichst wenig einmischen und die Kinder selbst zu einer Einigung finden lassen.
Doch wo ist die Grenze? Wann sollten Eltern nicht wegsehen, sondern im Gegenteil sehr bestimmt eingreifen?
Die Diskussion um Mobbing im Kinderzimmer beschäftigt derzeit die Medien. Mehr und mehr Betroffene melden sich zu Wort und berichten von dem Martyrium ihrer Kindheit; von verbalen Angriffen, von Drohungen und Gewalt, die nicht etwa von den Eltern ausging, sondern von einem Geschwisterkind.
Mittlerweile existieren Langzeitstudien, die zeigen, welche Auswirkungen es hat, wenn Kinder von klein auf von einem Bruder oder einer Schwester permanent gehänselt, unterdrückt, bedroht oder geschlagen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder im Erwachsenenalter an einer Depression, einer Angsterkrankung oder selbstverletzendem Verhalten leiden, ist doppelt so hoch wie bei denen, die kein Mobbing erfahren haben.
Schon Mobbing in der Schule ist für eine Kinderseele oft schwer zu verarbeiten. Wie schwierig muss die Situation erst sein, wenn man mit „dem Feind“ zu Hause täglich an einem Tisch sitzen muss?
Die Statistik zeigt, dass Geschwistermobbing durch alle Gesellschaftsschichten geht. Leider wird geschwisterliches Mobbing häufig nicht einmal von den Eltern ernst genug genommen. Der Wunsch nach häuslicher Harmonie ist groß. So bleibt es oft bei Beschwichtigungen wie: „Dein Bruder ist eben so!“ oder einem wenig hilfreichen Rat wie: „Du musst dich halt wehren!“ Das gemobbte Kind fühlt sich dann auch noch von den eigenen Eltern im Stich gelassen.
Klare Regeln helfen Kindern - auch bei Konflikten. Eltern sollten dann eingreifen, wenn Geschwister sich gegenseitig beleidigen oder sich wirklich weh tun. Außerdem sollte ein respektvoller Umgang eingeübt werden: Zum Beispiel sollten auch Kinder lernen, dass sie nicht einfach Dinge wegnehmen können, die einem Geschwisterkind gehören, sondern dass sie vorher fragen müssen. Es ist die Aufgabe der Eltern darauf zu achten, dass ein faires Miteinander herrscht - und am besten ist es, wenn sie ihren Kindern ein gutes Vorbild sind.
aktualisiert am 29.07.2015