Der frühe Vogel fängt den Wurm – so lautet das Sprichwort und bevorzugt damit eindeutig die Frühaufsteher. Doch die Fähigkeit, früh leistungsfähig zu sein, bestimmt nicht der Wecker, sondern der Biorhythmus jedes Individuums.
Mit dem ganz persönlichen Lebens-Takt beschäftigen sich Experten, die Chronobiologen. Sie unterscheiden zwischen "Eulen" und "Lerchen", den zwei grundlegenden Chronotypen:
Mit Tugend oder Disziplin hat das wenig zu tun. Mit dem Wechsel der Leistungsfähigkeit verbunden sind auch Schwankungen im Stoffwechsel. Die wiederum sind genetisch festgelegt.
Achim Kramer, Chronobiologe an der Charité in Berlin, dokumentierte dies erneut in einer Studie: Die Innere Uhr lässt sich weder umstellen noch nachhaltig überlisten, etwa durch einen anderen Schlafrhythmus oder insgesamt mehr Schlaf. Selbst Lichttherapie, Melatonin oder Schlaftabletten bleiben auf Dauer ohne Wirkung.
Offenbar ist die Welt jedoch eher für Frühaufsteher konzipiert: Das beachtliche Leistungspotential der „Nachteulen“ ist meist erst richtig abrufbar, wenn die anderen bereits wieder müde werden. Frühaufsteher gelten zudem in der Gesellschaft als tüchtiger, denn sie sind schon am Morgen kommunikativ, aufmerksam und belastbar. Und sie schreiben bereits in der Schule meist bessere Noten als Spätaktive. Diese wiederum sollten sich nicht entmutigen lassen: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Eulen insgesamt kreativer und aufgeschlossener durchs Leben gehen.
Eine weitere Studie an einer Mailänder Universität klärte Fragen nach den Auswirkungen eines Lebens mit oder gegen den Biorhythmus. Unterschiede zwischen Männern und Frauen fielen bei den 120 Probanden kaum ins Gewicht, doch die Differenzen zwischen den beiden Chronotypen waren beachtlich. Im Bereich Kreativität lagen die „Eulen“ weit vorn im Rennen vor den Frühaufstehern.
Die Lebens-Kunst besteht darin, sich selbst zu beobachten und die jeweiligen Produktivitäts- und Kreativitätsphasen gut auszunutzen. Wer versucht, sich einem Rhythmus zu beugen, der der eigenen Genetik zuwiderläuft, ist weniger produktiv und schneller erschöpft. Hilfreich ist es dagegen, im Alltag die kniffligeren Aufgaben jeweils während des tageszeitlichen Leistungshochs zu erledigen, Routine eher während der übrigen Stunden. Beide Typen sind am späteren Vormittag in etwa gleich belastbar und konzentriert. Ein weiteres Hoch fällt auf den Spätnachmittag und den frühen Abend.
„Lerchen“ sind abends eher kreativ, vormittags dagegen logisch und lösungsorientiert. „Eulen“ funktionieren genau umgekehrt: Sie sind umso analytischer, je später die Stunde, während ihrer morgendlichen "Koma"-Phasen dagegen sind sie erstaunlich einfallsreich. Offenbar kommt die Kreativität überwiegend dann zu ihrem Recht, wenn die logisch-analytischen Fähigkeiten gerade ein Schläfchen halten.
aktualisiert am 29.07.2015