Lügner möchten im Grunde gar nicht lügen: Die Wahrheit zu sagen fällt ihnen leichter und Gesprächsresultate auf der Basis wahrheitsgemäßer Aussagen befriedigen sie mehr. Das ergaben zwei neurologische Studien über Gehirnaktivität, durchgeführt an der Universität Toronto.
Professor Kang Lee von der Universität Toronto, der Studienleiter, konstatiert Folgendes: „Alle unsere Ergebnisse zusammengenommen, ist es offenbar wesentlich befriedigender, die Wahrheit zu sagen, als in unterschiedlichen Situationen zu lügen.“
Dass schon Kinder das Lügen erlernen und von Erwachsenen übernehmen, und dass es sich beim Lügen tatsächlich um eine notwendig soziale Kompetenz handelt, bewies Professor Kang Lee schon früher. Obwohl die moralische Messlatte bezüglich der Wahrheitsliebe in der Gesellschaft allgemein hoch hängt, sind Lügen und Notlügen weit verbreitet. „Schwindelphasen“ bei Kindern sind daher völlig normal. Wer früh überzeugend lügt, so stellte Professor Kang Lee schon 2010 fest, der hat bereits eine komplexe Gehirnentwicklung hinter sich und lebenswichtige soziale Fähigkeiten erlernt, denn auch Haltung, Tonfall und Mimik müssen überzeugen.
Bei den beiden Studien, die Professor Lees neueste Entdeckung belegen, fand eine neuro-bildgebende Methode Anwendung, die Nah-Infrarot-Spektroskopie, mit der Gehirnaktivität gemessen werden kann. Die Studien befassten sich erstmals mit der Frage, welche Gefühle durch Lügen ausgelöst werden: Fühlen die Personen, die die Unwahrheit sagen, sich besser oder schlechter dabei?
Die Wissenschaftler stellten fest, dass das kortikale Belohnungs-System wesentlich aktiver war, wenn das gewünschte Ergebnis durch Mitteilung der Wahrheit erreicht wurde. Auch lösten Lügen eine jeweils höhere Gehirnaktivität im Frontallappen des Gehirns aus als eine wahrheitsgemäße Aussage. Dies bestätigt, ebenso wie die Kinderstudie von 2010 zum Thema, dass Lügen eine wesentlich höhere kognitive Anstrengung erfordert als das Mitteilen der Wahrheit, und dass mehr neuronale Kräfte dazu nötig sind.
Nun hofft das Wissenschaftlerteam, die Studien fortsetzen zu können, und dabei die neuronalen Mechanismen beim Lügen besser zu verstehen. Täuschung ist ein fester Bestandteil menschlichen Verhaltens, ungeachtet der vielen negativen Folgen. Als Ergebnis weiterer Forschung könnte man jedoch beispielsweise pathologische Lügner anhand ihrer Gehirnaktivität wesentlich besser und schneller entlarven als bisher.
aktualisiert am 29.07.2015