Bei einer VR-gestützten Expositionstherapie führt der Therapeut die klassische Konfrontationstherapie mithilfe von Virtual Reality (VR) durch. Die Erfolgsraten sind vergleichbar hoch wie bei der Expositionstherapie in der realen Welt. Die Akzeptanz ist hoch und die Hemmschwelle oft niedriger als bei Konfrontationssituationen in der Wirklichkeit.
Die Exposition ist Teil Konfrontationstherapie, welche wiederum ein sehr effektives Verfahren aus der Verhaltenstherapie darstellt. Sie wird vor allem bei Angststörungen wie Höhenangst, Angst vor Spinnen, Angst vorm Fliegen, Platzangst (Agoraphobie) oder sozialer Phobie, bei Panikstörungen, aber auch bei Zwangsstörungen eingesetzt. Dabei kann die Konfrontation mit der entsprechenden Situation in der Vorstellung, in der Realität oder seit einigen Jahren auch in der virtuellen Realität (VR) stattfinden. Eine Exposition wird zunächst mit dem Therapeuten vorbereitet. Vermeidungsverhalten wird aufgedeckt. Die Stärke der Angst wird auf einer Skala notiert. Bewältigungsstrategien wie Entspannungstechniken werden erlernt, um sie in der konkreten Situation anwenden zu können.
Im Rahmen der Konfrontationstherapie erarbeiten Betroffene gemeinsam mit dem Therapeuten auch Strategien, die sie künftig an der Hand haben, um herausfordernden Situationen erfolgreich zu bewältigen (Selbstwirksamkeitserleben) und können die positive Erfahrung machen, diesen dadurch mehr und mehr gewachsen zu sein. Das wiederum ermöglicht, Ängste nach und nach abbauen zu können. In der Regel wird mit Situationen begonnen, die mittelschwere Angst-Symptome auslösen. Im Laufe der Therapie wird der Belastungsgrad gesteigert.
Meist werden ein Computer und eine VR-Brille genutzt. Es gibt aber auch Verfahren, die auf dem Smartphone über eine App funktionieren. Mithilfe einer VR-Brille können angstauslösende Situationen simuliert werden. Der Betroffene taucht in die virtuelle Welt ein (Immersion) und erlebt sie für sich als real. Obwohl er weiß, dass es sich um eine Computersimulation handelt, hat er das Gefühl, sich in echt in der Situation zu befinden (Gefühl von Präsenz). Dadurch werden Angstsymptome und Körperreaktionen wie erhöhter Blutdruck, schnellerer Herzschlag und Schwitzen in gleicher Weise wie bei einer Konfrontation in der Wirklichkeit ausgelöst. Zusätzlich zu optischen Reizen können auch Geräusche oder Gerüchte eingespielt werden, wenn dies für die angstauslösende Situation beschreibend oder maßgeblich ist.
Der Therapeut ist mit im Raum und kann jederzeit begleitend eingreifen beziehungsweise dem Patienten bei der Anwendung der besprochenen Strategien und bei der Bewältigung der Situation helfen.
Zur Vorbereitung auf die Exposition und auch zum Ende der Sitzung können Entspannungstechniken durchgeführt und entsprechende Szenarien (Sonnenuntergang, Waldspaziergang und mehr) in der virtuellen Realität eingespielt werden.
Das Verfahren wird von Betroffenen gut akzeptiert. Es gibt Hinweise, dass die Hemmschwelle, sich belastenden Situationen auszusetzen, bei VR-gestützter Exposition (in virtuo) niedriger ist als bei der Konfrontation in der Wirklichkeit (in vivo). So können Patienten erreicht werden, die eine echte Exposition scheuen. Außerdem können Situationen in der virtuellen Realität beliebig oft wiederholt werden. Die Bedingungen der Therapiesituation lassen sich gut kontrollieren und anpassen. Nahezu jedes Szenario ist virtuell darstellbar, was in der realen Lebenssituation nicht immer gefahrlos möglich ist (beispielsweise ein Aufenthalt in großer Höhe bei stürmischen Wetterbedingungen).
Grenzen erreicht die VR-gestützte Expositionstherapie bei Patienten, bei denen kein ausreichendes Präsenzerleben erzeugt werden kann. Wenn sie sich nicht als real in der Situation erleben, werden auch keine oder nur geringe Symptome ausgelöst. Außerdem kann es während der Exposition zu sogenannter Simulationsübelkeit oder Cybersickness mit Beschwerden wie Übelkeit, Kopfweh oder Schwindel kommen. Bei Patienten, die an Epilepsie (Anfallsleiden) oder Migräne leiden, darf keine VR-gestützte Therapie durchgeführt werden. Eingeschränkte Seh- oder Hörfähigkeit sowie Gleichgewichtsstörungen können ebenfalls limitierende Faktoren sein.
Springer Link, Alla Machulska; Kati Roesmann; Tanja Joan Eiler; Armin Grünewald; Rainer Brück; Tim Klucken – Der Einsatz von Virtueller Realität in der Psychotherapeutischen Praxis: Aktueller Forschungsstand, Chancen, Risiken und Herausforderungen: https://link.springer.com/article/10.1007/s00729-021-00185-2 (online, letzter Abruf: 22.02.2023)
Ärzteblatt.de, Christiane Eichenberg – Virtual-Reality in der Psychotherapie: Anwendungen mit klinischen Potential: https://www.aerzteblatt.de/archiv/222047/Virtual-Reality-in-der-Psychotherapie-Anwendungen-mit-klinischem-Potenzial (online, letzter Abruf: 22.02.2023)
Rosenfluh.ch, Dr. phil. Dorothée Bentz – Behandlung von spezifischen Phobien in der virtuellen Welt: https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2017/03/Behandlung-von-spezifischen-Phobien-in-der-virtuellen-Welt.pdf (online, letzter Abruf: 22.02.2023)
aktualisiert am 22.02.2023