Nahezu eine Milliarde Facebook-Nutzer sind inzwischen weltweit registriert: Für Millionen von Menschen ist der regelmäßige Besuch bei Facebook längst ein fester Bestandteil ihrer täglichen Aktivitäten.
In Anbetracht dieser Zahlen sind Forscher besonders daran interessiert, herauszufinden, ob etwa die Aktivität auf Facebook Rückschlüsse auf die Verhaltensweisen oder gar das Psychogramm der Nutzer zulässt. Man wollte auch untersuchen, wie stark und vor allem warum sich die Facebook-Benutzer häufig auch emotional sehr stark in diesem sozialen Netzwerk engagieren.
Russell Clayton, ein Doktorand an der journalistischen Fakultät der Universität von Michigan, fand heraus, dass generell sehr ängstliche Menschen oder solche mit einer Neigung zu erhöhtem Alkoholkonsum eine auffallend starke Affinität zu Facebook entwickeln.
Für Claytons Doktorarbeit, durchgeführt in Zusammenarbeit mit einigen Wissenschaftlern der Texas State University, wurden mehr als 225 College-Erstsemester hinsichtlich ihrer eigenen Wahrnehmung und ihres Verhaltens befragt: Fühlten sie sich einsam, fanden sie es persönlich schwierig, Anschluß zu finden und sich im College-Alltag einzufügen, bezeichneten sie sich selbst als ängstlich, tranken sie viel Alkohol oder rauchten sie Cannabis? Und wie viel Zeit verbrachten sie jeweils bei Facebook?
Die Kommunikationswissenschaftler fanden Folgendes heraus: Diejenigen, die sich selbst als extrem ängstlich bezeichneten, oder die angaben, öfter Alkohol zu trinken, engagierten sich emotional sehr stark in bestimmten Facebookgruppen. Ebenso nutzten, der Auswertung der Untersuchungen zufolge, ängstliche und einsame Personen die Plattform sehr stark als ein Mittel, um überhaupt Kontakte zu knüpfen. Befragte, die sich selbst als ängstlich einschätzen, hätten auch eine viel größere Tendenz, sich im Internet Kontakte zu suchen, als „draußen“ in der realen Welt auf andere Menschen zuzugehen, so Clayton.
Auch wer sich mit seinen Facebook-Freunden verbunden fühlt und über deren Beiträge Details über ihren Alkoholkonsum, beispielsweise bei feuchtfröhlichen Parties erfährt, ist wahrscheinlich motiviert, sich ähnlich zu verhalten: Hier greifen ganz unbewusst die Gruppendynamik und der allgemeine Wunsch nach Anpassung.
Generell ist Alkoholkonsum unter Studenten sozial anerkannt, es "gehört dazu", gelegentlich auch über den Durst zu trinken. Die Bestätigung dafür holt man sich offenbar bei Gleichgesinnten auf Facebook.
Interessanterweise verhält es sich laut Untersuchung mit Marihuana-Rauchern völlig anders, sie sind verhältnismäßig desinteressiert an Facebook-Kontakten. Cannabis ist sehr viel weniger anerkannt. Kaum jemand gibt im Netz offen zu, dass er welches raucht. Entsprechend wird dann auf dieser Plattform auch weniger nach Bestätigung für die eigene Verhaltensweise gesucht.
Clayton und seine Mit-Forscher fanden ebenso heraus, dass Studenten, die sich selbst als sehr einsam bezeichneten, zwar nicht zwingend eine starke Bindung an bestimmte Facebookgruppierungen entwickelten, die Plattform aber gerne aktiv nutzten, um überhaupt Kontakte zu knüpfen.
Allzu allgemeine oder ernsthafte Rückschlüsse aus dem Facebook-Verhalten auf die Charakterzüge oder die Persönlichkeitsstruktur der Nutzer zu ziehen, ist allerdings eine gewagte Angelegenheit. Umgekehrt ist und bleibt es ratsam, in sozialen Netzwerken niemals allzu viel Persönliches preiszugeben.
aktualisiert am 29.07.2015