Die Computeranwendung Kinect wurde ursprünglich für interaktive Spiele entwickelt. Mediziner setzen das System jedoch mittlerweile ein, um Atemwerte zu messen. Modedesigner nutzen es, um bestimmte Kleidungszusammenstellungen virtuell zu testen. Nun gibt es eine neue Schnittstelle, mit der festgestellt werden kann, ob eine Psychotherapie notwendig ist.
Doch was genau ist Kinect? Entwickelt wurde es für eine Konsole für Videospiele, kann aber längst auch an Windows-PCs eingesetzt werden: Die erste Kinect-Version für Windows kam bereits im Februar 2012 auf dem Markt.
Kernstück ist ein Add-On, das ähnlich wie eine Videokamera funktioniert. Es versetzt die Nutzer in die Lage, mit der Spielekonsole zu interagieren, ohne per Controller oder Tastendruck einzugreifen. Die Schnittstelle zum Nutzer ist ein Sensor, der auf Gesten, Bewegungen und Sprache reagiert. Mit Kinect lassen sich beispielsweise Filme per Handbewegung steuern. Selbst Chatten quasi am Fernseher wird durch die Technologie im Hintergrund möglich. Der Sensor wird mit einer Handbewegung aktiviert, der Nutzer wird vom System erkannt, sein persönliches Avatar wird geladen.
Bei den Spielen, die bereits auf dem Markt sind, ist Bewegung gefragt - diese wird erkannt und umgesetzt. Interaktive Ganzkörper-Spiele vor dem Bildschirm werden so möglich. Das System ist beliebt, ganze Spiele-Communities sind bereits entstanden.
Das Projekt „Kinect“ ist jedoch insgesamt so angelegt, dass es weit über die Möglichkeiten typischer Spiel-Programme hinausgeht. Auch für Simulationszwecke und medizinische Projekte eröffnen sich damit vielfältige Möglichkeiten.
SimSensei, eine Schnittstelle, die die Sensoren von Kinect nutzt, identifiziert beispielsweise charakteristische Bewegungen, den Gesichtsausdruck und den Sprachduktus, der auf Depressionen hinweist.
An der Universität von Kalifornien haben Psychologen einen besonderen Avatar entwickelt, der interaktiv mit dem Programmnutzer in Kontakt tritt. Dieser virtuelle Führer stellt eine Reihe von Schlüsselfragen und antwortet mit Gesten und Kommentaren, die es der dahinter liegenden Software erlauben, die Körpersprache des „Spielers“ exakt zu analysieren: So lässt sich messen, ob der Nutzer des Programmes beispielsweise ängstlich, nervös, zufrieden oder depressiv gestimmt ist.
Dabei werden weniger die Antworten analysiert als vielmehr Blicke und Körperhaltung des Patienten. Ist jemand beispielsweise hyperaktiv oder schweift sein Blick über längere Zeit ab, wird das vom „virtuellen Therapeuten“ von SimSensei registriert.
Psychologische Diagnosen sind auch online durchzuführen, über die Exaktheit und Richtigkeit der Ergebnisse lässt sich streiten. Doch auch in der Praxis eines erfahrenen Psychotherapeuten werden bislang solche Diagnosen über Checklisten, also Fragenkataloge durchgeführt. Zahlreiche Fragen werden dabei mit Ja oder Nein beantwortet oder es werden bestimmte Verhaltensweisen oder Situationen mit einer Punkteskala bewertet.
Verhaltensweisen, die nicht über Sprache zum Ausdruck kommen, können dabei jedoch nicht oder nur schwer mit einbezogen werden. Für die Kinect-Anwendung konnten aber solche „Äußerungen“ kategorisiert und standardisiert werden, so, dass sie nun mit zur Diagnose herangezogen werden können.
aktualisiert am 29.07.2015